Dienstag, 6. Januar 2009

Eine Entscheidung war zu fällen!

Frankreich ist ein wunderbares Land zum Wanderreiten. Alles ist viel weitläufiger, viel dünner besiedelt, es gibt im Vergleich zu Österreich und Deutschland riesige Felder und Wälder und die Wege sind meist unbefestigt. Im Frühjahr, Sommer und Herbst muss es herrlich sein, hier zu reiten. Jetzt, im Winter, sind die tiefen Traktorenspuren in den Wegen hart gefroren. Im Wald gibt es oft unter der gefrorenen Schicht tiefe sumpfige, lehmige Stellen, weil dort kleine Quellen fließen. Das Laufen ist dann für die Pferde und für uns sehr schwierig. Unsere größte Herausforderung hier ist die Sprache. Ich spreche gar kein Französisch und Gabi hatte zwar 2 Jahre Französisch Unterricht, aber es reicht nicht, um zu telefonieren, um Unterkünfte zu organisieren und um Gespräche zu führen. Nur durch die massive Unterstützung unserer Französisch sprechenden Freunde Denise und Andrea sind wir überhaupt bis nach Bougnon gekommen. Navajo ging es zunehmend schlechter, er braucht dringend eine Osteopaten und Ruhe. Auch an uns und an unserer Ausrüstung sind die Dauerkälte und die Nässe nicht spurlos vorbei gezogen. Wir hatten eine Entscheidung zu treffen und wir trafen sie. Die letzten 500 Kilometer legen wir im Transporter zurück.

Unsere Reise, unser großes Abenteuer ist damit zu Ende. Unsere Spendenaktion zugunsten des Sterntalerhofes noch nicht. Viele der von uns zurück gelegten Kilometer sind noch zu haben. Bitte ergreift die Initiative, sammelt bei Freunden, Einstellern, Verwandten, Bekannten, Chefs oder wo auch immer und kauft einen oder mehrere Kilometer, so wie es schon viele von Euch getan haben.
Wir möchten nochmals allen, die uns, in welcher Form auch immer, so sehr geholfen und unterstützt haben, herzlichen Dank sagen.

Thomas und Gabi

Der 83. bis 89. Tag

Einen Tag vor Silvester, am 83.Tag starteten wir bei kalten minus 6 Grad und schönstem Sonnenschein unsere erste Etappe in Frankreich. Andrea wollte uns ein Stück begleiten, doch wir hatten so einen Spaß miteinander, dass sie bis nach Altenach mit ritt. Die Strecke war ein Traum. Wir gingen fast nur auf Feld-, Wald- und Wiesenwegen. Am Abend kamen dann Denise und Urs, um Andrea und ihr Pferd abzuholen. Dann ging es an die Suche nach einer Unterkunft für Silvester. Andrea telefonierte mit vielen möglichen Stationen, doch keiner wollte an Silvester Wanderreiter haben. Bei Gabi sank der Mut bis in den Keller. Schließlich hatte Andrea doch noch Erfolg und fand einen Platz für uns ca. 13 Kilometer entfernt. Eine kurze Etappe am letzten Tag des Jahres.

Das gefiel uns und wir beschlossen, am 84. Tag etwas länger zu schlafen. In der Nacht wachte ich einmal gegen 4 Uhr auf und glaubte nicht, was ich hörte. Regen? Wie kann das sein, am Abend waren noch minus 5 Grad und dann am Morgen Regen? Ich sah aus dem Fenster, es regnete in Strömen! Ich ging erst mal wieder schlafen. Gegen sieben goss es immer noch und wir überlegten, was wir tun. Es ist bestimmt überall glatt. Das Zimmer, in dem wir übernachteten, lud nicht wirklich zumbleiben ein, also beschlossen wir, weiter zu ziehen. Gegen 10:30Uhr ging es los. „Guten rutsch“ sagt man zu Silvester, den hatten wir, denn alles war mit Eis überzogen. Die Landschaft sah aus, wie in Glas gefasst und es regnete weiter in Strömen. Nach 5 Stunden waren wir am Ziel. Unser Gastgeber, ein richtiger Pferdenarr, hieß uns willkommen. Auf Deutsch! Noch mal Glück gehabt! Für unsere Pferde baute Francoise zwei Paddoks in der Reithalle und wir konnten es uns im geheizten Reiterstübl gemütlich machen. Gabi kochte uns auf dem Campingkocher noch eine von ihr neu kreierte Nudel-Tomatensuppe und um 9 Uhr gingen wir schlafen.

Um 2 Uhr wachten wir beide kurz auf und wünschten uns ein schönes neues Jahr. Der Neujahrstag, unser 85. Tag, war wieder kalt uns trocken. Wir hatten 25 Kilometer vor uns. Die Etappe führte uns durch große Wälder, die Wege waren eine echte Herausforderung, den es war immer noch spiegelglatt. Die Pferde tragen heute wieder keine Hufschuhe. Tiefe Traktorenspuren waren hart gefroren, zum Teil mit Wasser gefüllt. Der Wanderweg führte über einen Bach. Die Brücke über den war zu schmal und außerdem vereist. Durch den starken Regen vom Vortag war der Bach zu einem kleinen Fluss angeschwollen. Wir konnten nicht abschätzen, wie tief das Wasser war. Wir mussten uns einen anderen Weg suchen. Spät erreichten wir unsere Station in Lachapell sous Chaux. Von unseren Gastgebern Caterine, die zum Glück Englisch sprach, und Patrik wurden wir am Abend mit einem französischen 4 Gänge Menü verwöhnt.

Der 86. Tag war wieder kalt und glatt. Wir probierten es zunächst wieder mit den Hufschuhen, denn durch die zwei vorangegangenen Barfußtage waren die Hufe schon ziemlich kurz. Vor allen Navajo, der sowieso zunehmend mit seinem Gleichgewicht zu kämpfen hatte, rutschte immer wieder aus. Also Hufschuhe wieder runter. Man hatte uns gesagt, dass wir unterwegs in Supermärkten, Tankstellen und Tabakläden Karten kaufen könnten. Also gingen wir in Supermärkte, Tankstellen und Tabakläden, doch nirgends gab es Karten. Wir waren inzwischen spät dran. Es dämmerte bereits und 5 Kilometer lagen Minimum noch vor uns. Wir riefen Andrea an, damit sie unserem Gastgeber anrief. Es war schon dunkel, als ein Auto neben uns hielt und eine Frau uns auf Französisch ansprach. Wir verstanden nur soviel, dass sie gekommen war, um uns den Weg zu zeigen. Kurz nach 18 Uhr waren wir endlich in St. Germain. Mit unseren Gastgebern verständigten wir uns mit Händen und Füßen. Pierre, ein 72 jähriger Distanzreiter, sprach ungefähr soviel Deutsch, wir Gabi Französisch. Wieder sind wir köstlich bekocht worden und saßen bis 23 Uhr zusammen.

Die Station für den 87. Tag hatte uns Pierre organisiert. Hundemüde starteten wir bei minus 9 Grad Celsius und Sonne. Pierre und seine Frau brachten uns noch ein Stück. Es wurde der Tag der im Schlamm steckenden Hufschuhe. An einer Stelle war es so tief, dass von jedem Pferd ein Hufschuh im Lehmboden stecken blieb. Man konnte sie nur noch mit der Zange herausziehen. Einmal mehr waren wir froh, dass unsere Pferde nicht beschlagen waren, denn dieser tiefe Lehmboden hätte auch leicht Eisen runtergezogen. Navajos Hufschuh schien in einer mit Wasser gefüllten Traktorspur zu stecken. Also Ärmel hoch krempeln und bis zum Ellenbogen im eiskalten Wasser den Schuh suchen. Doch nichts zu finden. Mit einem Stock haben wir dann einen Kanal gegraben, damit das Wasser abfließt. Immer noch kein Hufschuh zu finden. Wir waren ratlos. Dann sah Gabi den Schuh 2 Meter weiter am Wegrand liegen. Endlich konnten wir weiter. Der Weg schien endlos und es dämmerte bereits wieder. Das letzte Stück des Weges, ca. 6 km, marschierten wir im Dunkeln auf einer viel befahrenen Bundesstrasse. Es war ein Wahnsinn und unsere Schutzengel hatten alle Hände voll zu tun. Pierre hatte den Stallbesitzer unserer Station Centre Equestre La Cart in Colombier angerufen, damit dieser uns die letzten Kilometer per Auto begleitete. Wir hatten bestimmt 35 Kilometer zurückgelegt. An diesem Tag fällten wir eine Entscheidung!

Das Ziel des 88.Tage war La ferm du Cavallon in Boungnon, der Hof der Schweizer Shagya Araber Züchterin und Distanzreiterin Gabi von Felten. Unser letzter Tag! Noch einmal Pferde fertig machen, noch einmal uns im Wald verreiten, noch einmal Picknick in eisiger Kälte, dann hatten wir es geschafft. Mit gemischten Gefühlen sattelten wir ab. Unser Abenteuer ist vorbei! Am Vorabend hatten wir mit Marie Claire gesprochen und gefragt, ob wir schon jetzt kommen können. Navajo ging es zunehmend schlechter, er braucht dringend Ruhe und einen Osteopaten und wir haben auch genug. Das Risiko, bei dem Wetter mit unseren Sprachkünsten keine Unterkunft für die Pferde und uns zu bekommen, wurde uns zu groß. Am Abend riefen wir Patick Sarlin an. Bei ihm übernachteten wir Neujahr und wir wussten, dass er einen großen Pferdetransporter hat. Er sagte uns für den nächsten Tag zu. Vor dem schlafen gehen sahen wir uns wehmütig im Internet die Diashow von unserem Blog an. Es ist vorbei.

Der Rest ist schnell erzählt. Am 89. Tag um 10 Uhr kam Patrick mit seinem Transporter, die Pferde stiegen blitzbrav in den LKW, wir verluden das Gepäck und los ging es. Unterwegs schneite es die ganze Zeit. Gegen 20 Uhr waren wir endlich auf dem Hof von Marie Claire de Selliers in Nouans les Fontaines.

Ein neues Abenteuer beginnt!

Montag, 29. Dezember 2008

Die Reise geht weiter !


Über 14 Tage haben wir ein „Horsemanship Luxusleben“ gelebt! Jeden Tag verbrachten wir Zeit mit Berni Zambail. Wir waren dabei, wenn er mit seinen Pferden gespielt und sie geritten hat, wir waren bei der Ausbildung seines junges Pferd dabei, wir durften bei privaten Unterrichtsstunden zuschauen, konnten an einem Horsenality- und an einem Parelli Pattern Workshop teilnehmen, wir haben zugeschaut, wie Berni mit den 2 Korrekturpferden, die gerade bei ihm sind, spielt und wie er sie reitet und konnten die unglaublichen Fortschritte beobachten, Berni hat uns mit unseren Pferden unterrichtet, er hat selbst mit unseren Pferden gespielt und wir konnten ihm jederzeit Löcher in den Bauch fragen.

Es hätte die Möglichkeit bestanden, bis Ende Januar zu bleiben und dieses „Horsemanship Luxusleben“ weiter zu führen. Nach langem, zähem Ringen haben wir uns dann doch für die Weiterreise entschieden. Am zweiten Weihnachtstag war es dann soweit, es hieß Abschied zu nehmen. Abschied von Berni und Christine. Abschied von Familie Winter, auf deren Hof Wolfsgrube wir gewohnt haben und die durch ihre freundliche und liebenswerte Art mit dafür gesorgt haben, dass wir uns so wohl gefühlt haben. Es war wieder einmal ein Abschied aus einer Komfortzone!

Durch Christine Zambail lernten wir Heiko Rodde, den Parelli Pferde-Fotografen, kennen. Heiko nahm sich unserer Frankreich „Problematik“ an, recherchierte für uns und fand schließlich Denise Locher, eine Schweizer Wanderreiterin, die ihre Pferde in Frankreich, westlich von Basel, zu stehen hat. Denise bot uns sofort umfangreiche Hilfe an.

Der 71. bis 82. Tag

Vom 71. bis 78. Tag verliefen die Vor- und Nachmittage immer gleich: Pferde, Pferde, Pferde!

Am 73. Tag waren wir zusammen mit den Zambails bei Heiko und Morisette Rodde zum Abendessen eingeladen. Morisette ließ uns schmecken, dass sie es liebt zu kochen. Heiko, der leidenschaftliche Abenteurer und Pferdefotograf, zeigte uns einige seiner wunderschönen Fotos, die er in Kanada und in den USA gemacht hat und wir redeteten über unsere Abenteuer.

Der 77. Tag war der 24. Dezember. Für den Fall, dass wir diesen Abend allein verbringen, hatten wir schon einen tollen Plan: Gegen 17 Uhr, wenn überall die Familien gemeinsam am Weihnachtsbaum sitzen, wollten wir unsere Pferde rausholen und mit ihnen in der großen Reithalle spielen und reiten und dann früh ins Bett gehen. Christine und Berni hatten einen anderen tollen Plan. Sie holten uns gegen 18 Uhr ab und fuhren mit uns in die Schweiz zu Christines Familie. Der Heilige Abend wurde zum stilvollen Schlemmer Abend. Erst gab es eine kalte Vorspeise mit Lachs, Käse und Fleisch. Wir mussten mächtig aufpassen, uns nicht schon satt zu essen. Nach kurzer Verdauungspause gab es dann Schweizer Fleischfondue. Hauchdünn geschnittenes Rind- und Putenfleisch wird auf eine spezielle Fonduegabel aufgespießt und in den Topf mit kochender Brühe gar gezogen. Dazu gibt es viele leckere Soßen und Beilagen. Es war so lecker und es ist eine sehr gemütliche Art beisammen zu sein und zu essen. Danach wurden Geschenke verteilt und dann noch eine leckere Nachspeise serviert. Kugelrund, glücklich und dankbar über diesen gelungen Abend fuhren wir gegen 0:30Uhr wieder nach Hause.

78. Tag - Tag des Dilemmas. Eigentlich war heute der Tag an dem wir weiter reiten wollten, doch erstens, war es am Vortag viel zu spät und dann gab es eben auch die Möglichkeit zu bleiben. Wir überlegten hin und her. Heiko und Morissette Rodde, die für uns schon die nächsten zwei Quartiere besorgt hatten, kamen auch, um mit uns zu beratschlagen. Nachdem wir ausgiebig alles hin und her überlegt hatten, kam die Entscheidung: morgen reiten wir weiter! Ich bin sicher, wenn unser Ritt nicht der Sterntalerhof Charity Ritt wäre, wir wären bis Ende Januar dort geblieben und dann per Pferdtransporter weitergereist. Doch so kam der vorerst letzte Abend und das vorerst letzte Nachtessen mit Berni und Christine.

Am 79. Tag hieß es nun alles wieder zusammen packen, Pferde satteln, Packtaschen rauf, Abschied nehmen und los. Heiko Rodde war mit seiner Kamera dabei und machte tolle Bilder von uns. Ihr könnt alle Bilder in unserer Diashow ansehen. Wir starteten gegen 12 Uhr. Die Sonne und eisiger Ostwind nahmen uns in Empfang. Wir hatten uns für eine kurze erste Etappe entschieden und kamen nach dreieinhalb Stunden auf der Wide Field Ranch in Breitenfeld an. Nachdem die Pferde gut versorgt waren, nahmen uns die Roddes mit zu sich nach Hause. Gabi wärmte sich erstmal am Kamin und entspannte sich. Die Bise, wie dieser frostig-fiese Ostwind hier genannt wird, hatten bei ihr heftige Kopfschmerzen verursacht. Morissette verwöhnte uns wieder mit ihren Kochkünsten, wir schauten Fotos und quatschten. Gegen halb neun brachten sie uns wieder zurück. Gabi ging schlafen, ich schaute noch mal nach unseren Pferden und saß dann noch eine Weile mit Uwe, dem Pächter der Wide Field Ranch zusammen.


Auch am 80. Tag war es bitterkalt und windig. Ein paar mal mussten wir ein kurzes Stück in Richtung Norden gehen und bekamen die Bise seitlich ins Gesicht. Ätzend! Es war an dem Tag so kalt, dass wir nur ganz kurz auf den Pferden saßen. Den Rest marschierten wir. Da wir uns im südlichen Schwarzwald befinden, war die Strecke entsprechend anspruchsvoll und ein ständiges auf und ab. Wir legten einige hundert Höhenmeter zurück. Ungefähr halb vier hieß uns Marion Dimer auf ihrem Brunnmatthof willkommen. Pferde versorgen und schnell ab ins Warme. Marion kochte lecker für uns und wir tratschten. Der Brunnamtthof ist auch so eine gemütliche Oase, in der wir gern ein paar Tage länger geblieben wären.An diesem Abend fand in Kleinöttingen in der Schweiz auf der Horsemanship Anlage „Farmers Place“ ein Parelli Stammtisch statt. Heiko zeigte dort eine wunderbare Diashow mit Pferde und Naturbildern und danach gab es eine Diskussion mit Berni Zambail zum Thema Probleme mit dem Pferd und deren Lösung. Marion Dimer und ihr Mann Stojan kamen spontan mit dorthin. Gabi war ziemlich müde und blieb auf dem Brunnmatthof.

Das Wetter war am 81. Tag immer noch unverändert kalt. Nach dem ausgiebigem Frühstück mit Marion und Stojan wären wir am liebsten wieder zurück ins Bett gegangen. Doch heute sollte unsere letzte Etappe in Deutschland sein! Gut die Hälfte der Strecke wurden wir von Stojan und seinem Quarter-Oldenburger Wallach begleitet. Der zweite Abschnitt des Weges brachte uns ziemliche Herausforderungen. Das erste Problem waren umgestürzte Bäume. Den ersten konnte ich mit meiner kleinen Säge noch bezwingen, den zweiten nicht mehr. Wir mussten ein Stück zurück reiten und uns einen neuen Weg suchen. Auf dem Weg habe ich dann noch etwas ziemlich blödes getan. Es gab ein Problem mit Navajo, er wollte nicht zwischen der Mazirah und dem Hang vorbei, ich wollte aber, dass er geht und fing an mit ihm zu kämpfen. Dabei rutschte er dann am Abhang mit den Hinterbeinen einen halben Meter runter. Als er wieder oben war, bekam Gabi einen Riesenschreck! Ein Hufschuh hatte sich gelöst und hing nun nur verdreht an seiner Fessel. Für Gabi sah es aus, als wäre sein Huf ab. Die Nerven lagen blank. Irgendwie klappte dann erstmal gar nichts mehr. Lady, die wir auf den schmalen Wegen zwischen uns frei laufen ließen, machte sich kurz mal selbstständig, die Wegmarkierungen stimmten auf einmal nicht mehr wirklich mit der Karte überein, ich bekam Durchfall. Ich fühlte mich sowieso gestresst, weil wir uns mit Heiko, Morissette und der Schweizer Wanderreiterin Denise Locher verabredet hatten und spät dran waren. Die warteten in Harpolingen am Friedhof auf uns. Zwei Zugfahrzeuge mit Pferdeanhängern. Erschöpft und genervt kamen wir dort gegen 16 Uhr an. Wir banden die Pferde an den Anhängern fest, sattelten ab, verstauten unser Gepäck, verluden die Pferde und ab ging die Post. Ziel war Bouxwiller, ein Ort in Frankreich westlich von Basel. Denise hatte uns dringend empfohlen, den Bereich Lörrach und Weil am Rhein nicht zu reiten. Es wäre eine Tagesetappe nur im Stadt und Industriegebiet. Sie und Heiko hatten uns angeboten, dass sie uns transportieren. Wir haben erst überlegt und dann entschieden, dass ist völlig in Ordnung von unserem 2000 Kilometer Ritt 70 Kilometer mit dem Hänger zu fahren. Morissette hatte heiße Getränke und Pallatschinken (auch Eier-oder Pfannkuchen genannt) für uns vorbereitet. Denise hatte in Bouxwiller schon alles für unsere Pferde vorbereitet. Nachdem alles versorgt und verstaut war lud Denise uns und ihre Freundin Andrea in ein Restaurant zum Essen ein. Sie brachte uns außerdem einen großen Stapel Karten mit, versorgte uns mit vielen wertvollen Tipps über Frankreich und machte uns viel Mut. Anschließend übergab sie uns an ihre Freundin Andrea, einer Schweizerin, die mit ihrem Mann Urs nach Frankreich ausgesiedelt ist. Andrea lud uns in ihr Haus ein, hatte schon ihr Gästezimmer für uns hergerichtet und forderte uns auf, uns wie zu Hause zu fühlen. Einmal mehr fühlten wir uns als reich beschenkte Glückskinder. Voller Dankbarkeit für all die uns entgegen gebrachte Hilfe, Großzügigkeit und Liebe schliefen wir ein.

Heute, am 82. Tag sind wir noch zu Gast bei Andrea und Urs. Es ist unser Organisationstag. Karten kaufen, Prepaid Telefonkarte besorgen, zum Geld abheben, telefonieren und das Internettagebuch aktualisieren. Urs kocht heute abend etwas typisch Elsässisches für uns. Wir sind gespannt. Morgen geht es weiter. Wir sind in Frankreich. Für uns noch immer kaum zu glauben.

Donnerstag, 18. Dezember 2008

Schiss vor Frankreich


Gut zwei Wochen sind seit unserem letzten Eintrag vergangen. Wenn es eine Frage gibt, die wir immer wieder zu hören bekommen, dann die: Warum reitet ihr ausgerechnet im Winter? Nachdem wir zwei Tage bei dichtem Schneefall unterwegs waren, wusste ich eine Antwort mehr auf diese Frage, weil ich sonst nicht so schöne Fotos von der eingeschneiten Natur machen könnte. Zwei Wochen, in denen viel passiert ist. Vor allem zwei Wochen, die uns an unsere emotionalen Grenzen und an unsere Ängste brachten. Zermürbt von Nässe und Kälte waren wir, vor allem Gabi, nahe dran, dass Abenteuer zu beenden. Wir haben noch maximal 5 Tagesetappen in Deutschland. Dann kommt Frankreich. Immer wieder trafen wir Leute, die uns ihre schlechten Erfahrungen mit Frankreich erzählen. Gute Wanderkarten im Maßstab von 1:50.000 scheint es auch nicht zu geben, jedenfalls haben wir noch keine gefunden. Wo werden wir mit unseren Pferden Weihnachten verbringen? Wie werden wir mit unseren bescheidenen Französisch Kenntnissen weiterkommen? Bange Fragen, die uns schon vor der Reise kamen und die sich bisher immer wieder wegschieben ließen. Jetzt lassen sie sich nicht mehr wegschieben und wir werden Antworten finden!

Der 58. bis 70. Tag


Insgesamt drei Tage verwöhnten uns Frau und Herr Schillig. Aber am 58. Tag geht es dann doch weiter. Wir sind kaum 30 Minuten unterwegs, da fängt es an zu regnen. Natürlich kommt der Wind aus Westen, so dass wir Stunden lang das kalte Wasser ins Gesicht bekommen. Wir müssen ziemlich Mitleid erregend ausgeschaut haben, denn mehrmals werden wir angesprochen und auf eine heiße Tasse Kaffee eingeladen. Wir lehnen dankend ab, denn wir haben einen weiten Weg zurück zu legen. Nach einigen Stunden machen wir eine kurze Zwangspause, wir müssen das Gepäck noch mal neu richten und etwas essen. Wir haben genug von dem Wetter und von der Reise. Gabi denkt ernsthaft über einen Abbruch der Reise nach und ich beschließe, mir einen Bürojob zu suchen und mich in meiner Freizeit nur noch mit Yoga und Meditation zu beschäftigen. Weiter geht es. Für eine Stunde hört der Regen auf. Wir legen einige Höhenmeter zurück und sind schließlich auf 800 Meter angelangt. Hier wird es plötzlich nebelig und heftiger Schneeregen beginnt. Es wird dunkel und wir müssen mehrfach nach dem Weg fragen. Dann endlich haben wir die Naturreitschule von Andrea Doderer gefunden. Wir versorgen die Pferde und lassen uns dann nass, durchgefroren und erschöpft auf ihrem Sofa vor dem Kamin nieder. Andrea serviert uns Tee und Würstchen und bietet uns an, den nächsten Tag zu bleiben, denn es soll weiter regnen und schneien.

Den 59. Tag bleiben wir bei Andrea. Es schneit weiter, wir erholen uns, kein Internet, kein Telefon, schlafen, reden, schlafen.

Der 60. Tag bringt wieder Sonnenschein. Wieder bewältigen wir einige Höhenmeter, aber diesmal bergab. Von weitem sehen wir schon, wie der Nebel dick im Tal hängt. In einem kleinen Dorf schaut eine Frau aus dem Küchenfenster und erkundigt sich nach unserer Reise. Dann die Überraschung: wir werden mit einer Linzer Torte und mit leckeren Weihnachtsgebäck beschenkt. Wir sind happy. Gegen 16 Uhr haben wir unsere 30 Kilometer geschafft und erreichen die Pferdepension Obernusserhof. Unsere Pferde übernachten in der Reithalle und wir in einer wunderschönen kleinen Ferienwohnung. Der Obernusserhof gefällt uns sehr gut. Es gibt so viele schöne Details, viele tolle Lösungen, die das Leben der Pferde und der Menschen angenehm machen. Das Konzept gefällt uns ebenfalls: es gibt die Abteilung Gnadenbrot Pferde, wo zurzeit 20 Pferde unter optimalen Bedingungen ihren Lebensabend unter Artgenossen verbringen und es gibt den Einstellbetrieb mit großen Paddockboxen, Weideflächen und Reithalle. Das alles in schöner Alleinlage ohne direkte Nachbarn.

Am 61. Tag sind wir wieder ungefähr 30 Kilometer unterwegs. Wir sind erst kurz vor neun gestartet und kommen deshalb erst im Dunkeln bei Toni Grömminger auf dem Hof Hewenblick in Anselfingen an. Wir versorgen die Pferde und werden dann selbst mit einer Vesper, wie die Brotzeit bzw. Jausen hier nun heißt, versorgt. Es gibt lauter leckere Wurstsorten aus eigener Gallowayschlachtung. Am Abend sitzen wir noch lange zusammen und Toni erzählt von seinen USA und Kanada Reisen und seinen Erlebnissen als Cowboy auf den verschiedenen Ranches.

Es hat in der Nacht geschneit und schneit den ganzen Tag weiter. Toni bringt uns ein Stück, die Landschaften sehen wie im Wintermärchen aus, immer wieder staunen wir über schneeverzauberte Natur. Der 62. Tag ist wieder so ein Tag, an dem es Schwierigkeiten mit der näch- sten Unterkunft gab. Wir bekommen eine Absage und bei einer anderen Adresse meldet sich niemand. Wir reiten auf gut Glück los. Unterwegs bekommen wir dann auf einem Pferdehof das Angebot bleiben zu können und am nächsten Tag per Anhänger nach Erzingen gebracht zu werden. Sehr verlockend, doch wir lehnen ab und reiten weiter durch dichten Schneefall. Feldwege sind nur noch zu erahnen. Ich will dauernd anhalten, um zu fotografieren. Dann gegen 14 Uhr kommt der erlösende Anruf von Andrea Burger, wir können die Pferde bei ihr auf die Koppel stellen und selbst im Gasthaus um die Ecke schlafen.

Weiter geht es am 63. Tag bei dichtem Schneefall. Wir kommen gut voran und als wir die Hälfte der Strecke haben, machen wir eine Pause und ich koche uns einen Tee aus Schnee. Ich bin so happy dabei, ich fühle mich, als wären wir in Kanada unterwegs. Wir reiten zu Berni und Christine, unglaublich, plötzlich wird uns das Ausmaß unserer Reise bewusst, weil wir eine Station erreichen, die so unendlich weit weg von zu Hause ist und wo wir jemanden kennen. Über tausend Kilometer sind wir schon unterwegs. Herzlich werden wir von der Familie Winter, den Besitzern des Reitstalles Wolfsgrube und von Christine und Berni Zambail empfangen. Abends nehmen uns die Zambails mit in die Schweiz zu ihrer Hochzeitstagsfeier. Es gibt leckeres Raclette.

64. Tag. Ausschlafen, dass heißt um 7 Uhr erst aufstehen, Pferde füttern, Frühstück und dann… Gabi geht mit Maz und Lady spazieren und ich lege mich wieder hin und schlafe. Wunderbar, so ein zweiter Schlaf, dann kommt Berni. Wir schauen ihm beim Spielen und Reiten seiner Pferde zu, stellen Fragen und Berni teilt sein unglaublich großes Wissen über Horsemanship mit uns. In Berni’s Nähe ist es nahezu unmöglich, nichts zu lernen.

Am 65. Tag gibt es viel zu tun: Vorbereitungen für das Parelli Tournament am nächsten Tag. Am Nachmittag hat Berni Unterricht. Wir dürfen dabei sein. Es ist auch für uns sehr lehrreich, obwohl es nichts Spektakuläres passiert. Wir hören Berni’s Erklärungen und besonders mir fällt auf, dass ich vieles davon schon gehört und wieder vergessen habe. Am Abend sind wir bei Berni und Christine zum Essen eingeladen.


Heute, am 66. Tag, heißt es wieder früh aufstehen, denn bevor wir um 8 Uhr mit Berni zum Parelli Tournament nach Fehraltorf fahren, versorgen und spielen wir noch mit unseren Pferden und Gabi putzt Berni’s Rappen, den Prom, auf Showglanz. Beim Tournament hatten wir eine Menge Spaß, sahen tolle Parelli Horsemanship Vorführungen von den Instruktoren Berni Zambail, Walter Gegeschatz, David Zünd und Carmen Zulauf und trafen sogar einige alte Bekannte wieder.


Der 67. Tag ist für uns ein besonderer Tag, denn Berni hat heute Zeit für uns und unsere Pferde. Wir checken Sättel, verbessern hier und dort etwas. Gabi bekommt Unterricht mit ihrer Maz und dann spielt Berni mit Navajo von seinem Pferd aus. Bei Navajo haben sich einige Respektlosigkeiten eingeschlichen, die ich durch fehlende Konsequenz, fehlende Klarheit und vor allem durch fehlendes Friendly Game selbst verursacht habe. Bitte und Danke, zwei Worte, die die Welt verändern können! Schon so oft gehört, völlig klar und logisch und doch immer wieder vergessen. Am Abend serviert uns Christine echtes Schweizer Käsefondue.

Der 68. Tag ist Gabi’s Wunscherfüllungstag. Erst darf sie Berni’s Pferd Prom reiten, um zu lernen, wie es sich an fühlt, ein Pferd ohne Zügel, nur mit Fokus und Schenkel, zu reiten. Dann spielt Berni mit der Lady. Wir sind fasziniert, wie er Lady liest und wie er mit ihr umgeht. Ruckzuck hat er bei ihr Schulterherein eingebaut. Lady liebt es sich abschleppen zu lassen und sich gegen das Halfter zu lehnen. Schnell macht Berni ihr klar, dass es für sie viel bequemer ist, dass nicht zu tun und statt dessen früh dem Druck nach zu geben. Am Abend sind wir bei den Winter’s zum Vesper eingeladen.

Berni ist für zwei Tage fort und Gabi freut sich, sich um seine Pferde zu kümmern. Ich hole endlich alle Einträge im Tagebuch nach, bearbeite Fotos, bestelle eine neue Isomatte, telefoniere und so weiter und so fort. Zwischendurch spielen wir mit unseren Pferden, Gabi raspelt Hufe und pflegt das Lederzeug, das zum Teil von der Nässe schon ganz schön gelitten hat.