Mittwoch, 3. Dezember 2008

Halbzeit !

Heute ist der 57. Tag und damit ist Halbzeit! Was für eine Reise, was für Herausforderungen. Unterwegs ist mir das Sinnbild des Goldschürfens gekommen. Unter all den körperlichen und mentalen Anstrengungen, den Unannehmlichkeiten, der Kälte, der Nässe, der Routine, der Ärgernisse, der manchmal schlechten Laune ist jeden Tag mindestens ein Goldkorn zu finden. Diese Goldnuggets erscheinen dann in Form von besonders schönen Bäumen, der Beobachtung von Vögeln, vom Winter verzauberte Landschaften, dem aufregenden Panorama der Alpen südlich unserer Route, der Freude an unseren Pferden, der Begegnung von netten Menschen, Anrufen von Gastgebern, die nach Wochen noch an uns denken, der Freude über neue Spenden für den Sterntalerhof, ein warmes Zimmer am Abend, Einladungen zum Frühstück von wildfremden Menschen.... All das würden wir nicht erleben, wenn wir nicht bereit wären, das andere mit in Kauf zu nehmen. Wir haben nun ungefähr die Hälfte der Strecke geschafft und wir sind entschlossen, die zweite Hälfte auch zu schaffen. Wir haben Zeiten von Motivationskrisen durchlebt und uns wieder aufgerappelt, wir haben uns gestritten und wieder vertragen. Wir sind dabei vertrauter geworden.

Wir sind dankbar für all die schönen Erlebnisse, für alles, was wir lernen durften, für die vielen Menschen, die uns großzügig unterstützt haben, dafür, dass jeder von uns einen "Verrückten" gefunden hat ,und dafür, dass wir genug Zeit und Mut haben, um diese Reise tun zu können.

Die Tage 46 bis 57

Der 46. Tag war ein unverhoffter zusätzlicher Pausentag. Mein Zeh war blitzblau und dick angeschwollen und ich hatte Mühe in den Schuh zu kommen. Also beschlossen wir noch einen Tag zu bleiben. Wir schliefen die meiste Zeit und ich beschäftigte mich mit Kühlen und Hochlagern meines Fußes.

Nach zwei Tagen Pause ging es am 47. Tag zum ersten Mal in einer Winterlandschaft weiter. Ziel war der Haflingerhof Rohrmoser in Wessobrunn. Die Straßen waren zum Teil
gefährlich glatt. Dafür schien die Sonne und der eisige Wind des Vortages hatte sich gelegt. Oft werden wir unterwegs angesprochen und es wird nach dem Woher und Wohin gefragt. Großes Staunen lösen auch immer wieder die Hufschuhe unserer Pferde aus. Leute, die selbst mit Pferden zu tun haben, können oft gar nicht glauben, dass Hufschuhe selbst für so lange Ritte geeignet sind.

Der 48.Tag war wieder so ein Tag, an dem wir morgens noch nicht wussten, wo wir die nächste Nacht verbringen werden. Unsere Freundin Manuela Murauer half uns und so landeten wir bei Frau Meyer-Herz in Schwabniederhofen. Als wir kamen, hatte sie schon einen Platz für unsere Pferde hergerichtet und sie lud uns zu Grünkohl mit Pinkel ein. Endlich mal wieder ein norddeutsches Gericht! Als sie von unserer Mission erfuhr, informierte sie gleich die Presse und außerdem gab sie uns Gelegenheit auf der Einstellerversammlung ihr Reitanlage einen kleinen Vortrag über unsere Reise und über den Sterntalerhof zu halten.

Bei knackigen minus 10 Grad Celsius ging es am 49.Tag weiter. Eigentlich sollten wir bei einer Bekannten von Frau Herz unterkommen, doch als wir dort ankamen, hatten sich die Bedingungen geändert. Wir sollten zwei unserer Pferde in einer Box anbinden und dass kommt für uns nur im absoluten Notfall in Frage. Was nun? Ich fragte, ob es noch andere Pferdehalter in dem Ort gab. Über mehrere Zwischenstationen bekamen wir eine Platz auf der "Five Horses Ranch", einem kleinen Stall mit gemütlichen Saloon von Chris Rasch. Der sagte spontan zu und er und seine Freundin Antje freuten sich riesig darüber, dass wir ihre Gäste wurden.

Es war bitterkalt am Morgen des 50. Tages. Minus 12 Grad Celsius! Navajo zeigt heute ein ungewöhnliches Verhalten, der gierigste von allen will nicht fressen. Wir beobachten, wie er scharrend dasteht und sich hinlegen will. Die Darmgeräusche sind schwach. Wir rufen einen Tierarzt, der auch in wenigen Minuten schon da ist. Navajo wird erst abgehorcht und dann schiebt der Tierarzt den ganzen Arm in Navajo’s After. Er fühlt, ob es Darmverschlingungen gibt. Entwarnung! Alles an seinem Platz. Dr. Georg Weinhart erklärt uns, dass er im Augenblick viele Pferde mit Verstopfung zu behandeln hat. Das kommt daher, dass die Pferde bei der Kälte nicht genug trinken. Er gibt noch eine krampflösende Spitze und sein ok für die Fortsetzung unserer Reise. Wir wandern und reiten durch eine bezaubernde Winterlandschaft. Der Raureif hat alles mit Eiskristallen überzogen. Nach einer kurzen Etappe erreichen wir am Nachmittag den Schimmelhof in Ebersbach. Navajo ging es noch immer nicht so gut. Er wollte weder richtig fressen noch saufen. Babsi, die Chefin vom Schimmelhof machte eine Box frei und wir holten Navajo rein. Wir entschlossen uns, einen Tag Pause zu machen. Von Babsi's Mutter wurden wir lieb versorgt.

Am 52. Tag erholte sich Navajo gut, er war zwar noch nicht ganz der Alte, doch er trank und fraß wieder relativ gut. Deshalb entschlossen wir uns, am 53. Tag weiter zu reiten. Heute erreichten wir den höchsten Punkt unserer bisherigen Reise, Eschers in 901 Meter über Meeresspiegel. Naja, nicht wirklich spektakulär diese Höhe, aber wir haben den Ausblick genossen. Aus Rücksicht auf Navajo machten wir eine Kurzetappe. Am frühen Nachmittag kamen wir auf dem Schilchernhof in Schrattenbach an. Nach nun insgesamt 4 Übernachtungen in eisige kalten Räumen ohne Heizung freuten wir uns auf ein Bett im Warmen. Auf dem Schilcherhof wird gerade ein Reithalle mit extra großem Dach für eine Solaranlage gebaut. Hier haben wir auch aus erster Hand bestätigt bekommen, dass es in Deutschland möglich ist, eine Reithalle sozusagen umsonst zu bekommen, wenn man die riesige Dachfläche zur Stromerzeugung mit Sonnenernergie nutzt.

Wir haben auf unserer Reise viele schöne Erfahrungen gemacht und viele nette und hilfsbereite Menschen kennen gelernt. Am 54. Tag kam es mal anders. Ziel war eine Wanderreitstation mit dem symbolträchtigen Namen "Hexenhof" in Maria Steinbach. Empfangen wurden wir von einer stark angetrunkenen Frau. Sofort ging das Theater los. Als erstes erklärte sie uns, wie richtig abgesattelt wird, schließlich ist sie Wanderreit-Ausbilderin vom Ersten Trekking Club Deutschland. Als nächstes limitierte sie die Heumenge für unsere Pferde, verweigerte, dass wir das Heu nass machen und machte sich darüber lustig, dass wir den Pferden handwarmes Wasser geben wollten, um sicher zu stellen, dass sie trinken. Wir kochten innerlich. Ohne Pferde hätte ich auf dem Absatz kehrt gemacht. Dann bot sie uns einen Tee an und es schien versöhnlich zu werden. Der Schein trügte. Jetzt legte sie erst richtig los. Wir hätten ja von nichts eine Ahnung, sind völlig unorganisiert, es sei eine Frechheit, dass wir so kurzfristig kommen (4 Tage vorher wurde sie von einem Freund gefragt, ob wir kommen können und sie hätte ja auch nein sagen können). An diesem Abend wollten sich Pferdefreunde vom Voralberger Parelli-Stammtisch und aus dem Voralberger Pferdeforum mit uns treffen. Als wir sagten, dass wir am Abend nicht da sein werden, dachte ich, wir werden gleich rausgeschmissen. Da sie etwas gekocht hatte, wurde uns die Missachtung der Gastfreundschaft vorgeworfen und gesagt, egal wo, wir brauchen zu ihr nicht mehr kommen. Als wir vom Treffen mit unseren Pferdefreunden zurück kamen, war die Besitzerin des Hofes auch da. Wir gingen hin, um guten Abend zu sagen und uns vorzustellen und wurden von dieser Dame auch gleich runtergeputz. Wir hätten so eine Schweinerei beim Heu gemacht, so etwas sei sie nicht gewohnt. Die Angesoffene saß da, grinste und wackelte mit der anderen den Kopf im Duett. Sie hatte ganze Arbeit geleistet. Super Übung zum Thema emotionale Fitness. Wir bezogen unseren Schlafplatz auf dem unausgebauten Dachboden mit scheibenlosen Fenstern. Bei minus 4 Grad konnten unsere Schlafsäcke mal wieder beweisen, was sie können. Am Kopfende des Bettes war alles voller Katzenscheiße. So etwas sind wir nun wieder nicht gewohnt. Ich runter und mit freundlichster Stimme um Handfeger und Kehrschaufel gebeten. Das war der Besitzerin nun doch etwas peinlich. Aber natürlich nicht so viel, dass sie sich dafür vielleicht entschuldigt hätte.
Der Abend mit den Voralbergern war toll. Denise, die das Treffen orgaisiert hatte, brachte uns Winnies Cockies und Suna Putzhandschuhe als Geschenke mit.

Am Morgen des 55.Tages waren wir so früh abreisebereit, dass wir noch auf den Sonnenaufgang warten mussten. Wir verabschiedeteten und bedankten uns für die Erfahrung, die wir dort machen durften (nämlich dass nichts selbstverständlich ist). Jaja, nichts zu danken, wurde uns geantwortet. Zunächst hatten wir noch schönes Wetter, dann begann ein heftiger Schneesturm aus Westen, der für den Rest des Tages anhielt. Der Wind peitschte uns den nassen Schnee ins Gesicht und in die Augen. Zuerst ritten wir. Doch dann wurde uns so kalt, dass wir nur noch marschierten. Nass, kalt und hungrig kamen wir gegen 15 Uhr bei der Wanderreitstation von Maritta Conrad in Leutkirch an. Wir wurden lieb empfangen, die Pferde freuten sich über eine große Box und reichlich Futter und wir über den geheizten Ofen. Am Abend kam uns Gunnar Schillig, ein alter Freund von Gabi und ihrer Familie, besuchen. Gunnar war einige Jahre in Australien, Papua Neuguinea, Neuseeland und USA auf Reisen in Sachen Horsemanship unterwegs und so gab es viel zu erzählen und zu tratschen. Da Gunnar nun schon wieder verreist ist (er besucht in Schweden ein Philippe Carl Kurs) ist sein Zimmer frei und wir machen zwei Tage Pause bei seinen Eltern, die uns auf's Beste betreuen.